Kultur Österreich, Deutschland, 10.01

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"Welttüten-
Konferenz"


oder Tüten aller Länder vereinigt Euch!

       
 Thitz
 
   "one red one yellow"
   Tütenbilder

   
26.10. - 30.11.2001
   Di/Mi 10-16, Do/Fr 10-19, Sa 12-16 Uhr

   neue kunst galerie - michael oess
   Brauneggerstr. 34 a
   Konstanz

"Welttütenkonferenz", so betitelt Thitz
eine großformatige Arbeit aus dem
Jahr 1997. Nicht nur der Titel sondern
auch die Ausführung dieses Werkes
ist mehr als ungewöhnlich und macht
neugierig. Thitz hat hierzu zahlreiche
handelsübliche Papiertüten in Form
einer Collage auf Leinwand aufge-
bracht und anschließend übermalt.
Der Vergleich zwischen Übermalung,
ursprünglicher Bestimmung sowie
aufgedrucktem Werbeslogan der Tü-
ten zeigt sehr schnell, dass Thitz in
dieser, wie auch seinen übrigen Ar-
beiten einen differenzierten Dialog
mitseinem Malgrund sucht.
Am auffalligsten ist in der besagten
Arbeit die blaue Tragetasche des
Es sei dahingestellt. ob die Legende
zutrifft, dass Thitz anlässlich einer Rei-
se nach Indien auf dieses Material auf-
merksam wurde, als "Rettung des Ma-
lers vor der drohenden Leere ohne Mal-
untergrund arbeitslos. verloren und ver-
kauft zu sein". wie Helmut Schuster
gerne erzählt. Wie auch immer, die
Tüte fordert den Künstler zu einem in-
tensiven Dialog heraus. Die äußere
Form wie auch ihre eigentliche Be-
stimmung wird dabei unmittelbar auf-
gegriffen und kreativ in den künstleri-
schen Gestaltungsprozess integriert.
Die ursprüngliche Botschaft der ein-
zelnen Trageobjekte wird dabei - mal
mehr, mal weniger -negiert, selten
jedoch bis zur Unkenntlichkeit aus-
Insofern sind
diese Bilder auch ein Zeugnis unserer kul-
turellen Vielsprachigkeit, die für Thitz ein
Fundament seiner Lebensauffassung dar-
stellt.
In gleicher Weise, in der Thitz diese gro-
ßen Collagen angeht, entstehen auch Se-
rien aus Einzeltüten, wie beispielsweise
die beeindruckende "Berliner Tüten Serie".
Hier spielt Thitz mit den großen sozialen
und gesellschaftlichen Themen unserer
Tage, wie in den Arbeiten "White Berlin"
oder auch "L'afrique c'est jaune". Thitz
zeigt hier einmal mehr die kulturelle
Vielfalt unserer Gesellschaft und präsen-
tiert sie uns als eine lebendige Bereiche-
rung des Lebens.
Die Einzelarbeiten bereiten die großen
Städtebilder vor, bilden geradezu die Zel-
len, aus denen sich schließlich die groß-
formatigen Collagen über New York, Jo-
hannesburg oder Berlin zusammensetzen.
Auch in diesen Bildern arbeitet Thitz nach
dem gleichen Prinzip: zarte Linien stehen
neben großzügigen Flächen und umkrei-
sen den zu beschreibenden Gegenstand;
ein dichtes Gefüge aus Architekturen und
Straßenschluchten, die sich im Nebulö-
sen des Horizontes verlieren. Aber dem
Künstler geht es nicht um ein oberfläch-
liches topographisches Interesse:Die
Wolkenkratzer und Häuser sind bewohnt.
Aus ihren Fenstern blicken Menschen:
Schwarze, Weiße, Kinder und Erwachse-
ne. Sie -das Mädchen von "White Berlin"
oder auch die Dame aus "L'afrique
c'est jaune", sie alle leben in dieser Stadt
und sind Teil eines großen und bunten
Ganzen. Der Künstler erschafft "Weltbil-
der", in denen er unsere Wirklichkeit in
seiner sehr persönlichen Kunstsprache
spiegelt. Die Sprache, mit der Thitz uns
in die Welt entführt, macht es uns leicht
ihm zu folgen. Um so schockierter aber
entdecken wir inmitten der farbenfrohen
Bilder immer wieder auch Brüche, die
uns aufhorchen lassen.
Thitz' Weltbilder erscheinen mir heute als
eine konsequente und aktuelle Weiterfüh-
rung der Welt- und Systembilder von A.R.
Penck. Dessen Welt, geprägt von der
zerrissenen Situation nach dem Krieg,
wird abgelöst von einem Bild der vitalen
Globalisierung der Welt, deren


away & bag, Fotopigmentdruck, Acryl, Tüten auf Leinwand, 160 x 120 cm
Metropolitan Museum of Art in New
York, welche die rechte untere Ecke
der Komposition flankiert. Einige
Kunstfiguren haben hierauf die
weißen Buchstaben bevölkert und
scheinen mit ihnen zu spielen. An-
dere Tüten dieses Bildes sind na-
hezu gänzlich übermalt. So verrät
nur noch die Aufschrift "Der längste
Genuß", dass eine der Tüten ursprünglich für den sorgfaltigen
Transport eines Baguettes bestimmt
war.
gelöscht. Meist ironisch witzig ant-
wortet der Künstler den Werbeslo-
gans und Formen und überlagert sie
mit seiner sehr persönlichen Antwort.
Die Tüte ist damit für Thitz Malgrund
und Inspirationsquelle zugleich. Die
Bildsprache derer er sich bedient,
bleibt allgemein verständlich und ver-
langt nicht nach einer ikonographischen
Entschlüsselung. Sie kommt damit der
internationalen Zeichensprache nahe,
die uns Menschen des ausgehenden Jahrhunderts miteinander vernetzt.