Kultur-Kanal, 02. 2005

Februar 2005
 
"Die Fortführung des Thitz-Booms ist nicht mehr aufzuhalten!"

Berühmt-berüchtigt durch seine Tüten-Bilder und die charakteristisch verschiedenfarbigen Schuhe reifte der "New Pop Art"-Künstler Thitz zu einem festen Begriff in der Kunstszene. Bis zum 14. Februar sind Werke des Künstlers in der Münchner Galerie Trost zu besichtigen. Auf 250 qm werden hier in unterschiedlichen Räumen die Werke von Thitz dem klassischen Repertoire der Alten Meister (wie Pieter Brueghel d.J. oder Jan Brueghel d.Ä., etc.) und der Klassischen Moderne (wie Pierre August Renoir, Max Liebermann, etc.) gegenübergestellt.
 

Thitz:: "Ich war nie
der Typ der im Atelier sitzt und auf irgend-etwas wartet.", Foto: Dimitri Davies
Kultur-Kanal: Herr Thitz, zur Zeit läuft bei Ihnen eine Ausstellung in München (Galerie Trost, bis 14. Februar: "Thitz. Klassik trifft New Pop Art"). Was erwartet den Besucher?

Thitz: Die Idee die sogenannte "alte Kunst" mit Gegenwartskunst zu mischen entstand eigentlich im Jahr 2000 bei meiner Ausstellung im Museum Goch. Dort konnte ich zusätzlich zur den Ausstellungsräumen in der Sammlung einige Werke durch Thitz-Arbeiten ersetzen. Die Installation mit dem Namen "Tütenmuseum" wurde vom Publikum sehr gut aufgenommen. Eröffnete sich doch so die Möglichkeit "die Welt der alten Meister mit anderen Augen zu sehen" wie Museumsleiter Dr. Stephan Mann bemerkte. Einige Werke aus dieser Ausstellung werden nun erstmals im Kunstmarkt gezeigt und zusammen mit den neuesten Thitz-Arbeiten in München und ab dem 22.1. auch in der Galerie Rothamel in Erfurt gezeigt.

Kultur-Kanal: Sie arbeiten ja auch viel mit Collagen. Was reizt Sie an dieser Technik.

Thitz: Indem man Gegenstände direkt ins Bild integriert entsteht immer eine Kommunikation mit dessen Herkunft und Beschaffenheit. Ich nutze diese Inspiration indem ich Tüten und Fotografien aus der jeweiligen Stadt um die es geht benutze. Danach werden die collagierten Elemente mit der eigentlichen Bildidee übermalt. Der Umgang mit gefundenen Materialien schafft auch einen schönen direkten Bezug zu dem jeweiligen Ort und der Kultur und Lebensweise der Menschen die dort wohnen. So ist das Design und die Form der Tüten in Indien natürlich extrem anders als etwa in New York, Kairo oder Mexiko City. Um diesen Effekt noch zu verstärken collagiere ich zusammen mit den Tüten auch fotografierte repräsentative Elemente der jeweiligen Stadt.

Kultur-Kanal: Berühmt wurden Sie ja durch den ungewöhnlichen Malgrund, den Sie gerne benutzen: die Tüte. Wie kommt man denn auf die Idee auf Tüten zu malen?

Thitz: Interessanterweise ist die Tüte nicht nur für mich ein echter "Kultur-Träger". Von dem Alltagsgegenstand Tüte geht eine besondere Inspiration aus, die nicht nur mich beim Malen betrifft sondern ebenso den Betrachter erreicht. So beginnen viele Gespräche über meine Arbeiten mit dem Thema Tüte. Im weiteren Verlauf des Gespräches offenbart sich ein konzeptioneller Kunstgriff: Die Tüte dient zunächst als Türöffner für das Verständnis der künstlerischen Thitz -Welt, was mir sehr entgegenkommt. Meine Arbeiten sollen ja gerade ihre Geschichten erzählen, die Figuren darin sollen vom Betrachter zum Leben erweckt werden. Es geht mir um eine bestimmte Sicht auf die Welt - die schöne bunte Konsumwelt unserer Städte wird z.B. erst erklärbar, wenn man sehr genau hinschaut; auf all die kleinen Details, die vielen versteckten, teilweise verloren wirkenden Menschen und deren Geschichten. In den Bildern löse ich diese Sichtweise in einer wirklich extremen Fülle von winzig gezeichneten Details auf, welche sich erst beim ganz nahen Betrachten oder mit der Zeit erschließen. Über die Jahre ist dabei eine sehr spezielle Technik entstanden die durch ihre Unverwechselbarkeit meinen eigenen künstlerischen Standpunkt eindeutig definiert und behauptet hat.

Kultur-Kanal: Bietet die Tüte eigentlich auch Möglichkeiten, die einem eine "ordinäre" Leinwand nicht bietet?

Thitz: Für die Malerei ist die Tüte ziemlich unwichtig - die meisten Menschen werden erst durch die Irritation der am Bildrand herausragenden Henkel auf die collagierten Tüten aufmerksam. In den Bildern werden die Tüten ja auch eingebunden und oft vollständig umdefiniert. Sie können sowohl Werbefläche als auch Kleidungsstück oder Innenräume eines Cafes werden. Dadurch bekommt der Gegenstand Tüte denselben inhaltlichen Stellenwert wie die anderen Bildelemente. Viele Dinge erscheinen zunächst als klar erkennbar, deren Geschichte muss aber erst en detail entdeckt werden. Im eigentlichen Sinn ist die Tüte sogar eine Art Falle für die Betrachter. Der Gegenstand Tüte, den jeder kennt, nimmt ihm die Schwellenangst und lässt so mehr Nähe für Assoziationen und Entdeckungen der gezeichneten und versteckten Details zu. Eine wichtige konzeptuelle Arbeit zu dem Thema sind auch meine so genannten "Tütenprojekte". Die Bewohner ganzer Städte werden zunächst mit Tüten beschickt. Ein Aufdruck ruft die Menschen auf Ihre eigene Idee zum Thema in die Tüte zu füllen draufzumalen oder gar hineinzusprechen und ins Museum zur Thitz-Ausstellung u schicken. Die Resonanz war überwältigend. So wurden im Kunsthaus Grenchen (Schweiz) über 2000 und im Museum Goch 3000 zum Teil sehr aufwendig gestaltete Tüten ausgestellt. Auch dadurch eröffnet sich durch die Tüte eine Möglichkeit zur Kommunikation mit dem wichtigsten Element in meiner Kunst - dem Menschen.

Kultur-Kanal: Sie verfolgen mit Ihrer Kunst aber schon einen dadaistischen bzw. humoristischen Ansatz?

Thitz: Der Humor als Bindeglied zwischen der gedachten und der gefühlten Welt ist tatsächlich ein wichtiges Vehikel um diejenige Stelle der Menschen anzusprechen, welche alle wirklichen Entscheidungen im Leben maßgeblich beeinflusst. Würde ich nur die denkbaren Geschichten malen, könnte im Idealfall ein perfektes ausgedachtes, aber "totes" Bild entstehen. Mein Ziel ist es dagegen eher quasi poetisch vorzugehen, also gezeichnete und gemalte Geschichten sowohl inhaltlich als auch formal zu collagieren und dadurch ein Maximum an Assoziationsräumen zu erreichen, welche von den Betrachtern selbst ausgefüllt werden. Dadurch wird die ganze Thitz-Welt lebendig. Ich versuche den Blick des Betrachters zu lenken - die Entdeckungsreise auf meinen Bildern führt auch zu den Zwischentönen unserer Gesellschaft. Das Große und Ganze ist aber, wie für mich das Leben an sich auch, als Gesamtheit positiv besetzt. Von Weitem betrachtet erscheinen meine Bilder daher fast immer fröhlich - allerdings versuche ich dann im Detail der Darstellung zu halten, was die Oberfläche verspricht. Im Gegensatz zu andern Künstlern würde ich es nie aushalten "nur" die Oberfläche etwa von New York zu malen.

Kultur-Kanal: Anders gefragt: Nimmt die Kunst sich zu ernst?
 
Thitz: "Unsere Welt", 2004,Foto: Dimitri Davies

Thitz: Nicht die Kunst nimmt sich zu ernst sie wird aber oft vom Publikum zu ernst genommen. Zumindest dann wenn die Ernsthaftigkeit der Betrachtung, die Sicht auf die eigentliche Kunst behindert und den Weg zur unverkrampften Annäherung versperrt. Für mich gilt daher die Devise: Wenn ich einen Schritt auf die Menschen zugehen kann um meine künstlerischen Aussagen besser darstellen zu können, tue ich das gerne.

Kultur-Kanal: Auffällig ist bei Ihnen ja nicht nur Ihre Kunst. Auch wenn Sie bspw. durch die Räume einer Kunstmesse wandern, fallen Sie - meist durch die bunte Kleidung - auf. Wie wichtig ist für einen Künstler eine gewisse Form von Selbstinszenierung?

 
 
"München, Blumenstadt", 2005,
Foto: Dimitri Davies
Thitz: Wie bei vielen Kollegen auch aus anderen Kunstsparten hat es auch bei mir in der Kindheit angefangen. So habe ich schon sehr früh "anders" aussehen wollen. So ziehe ich seit ich 15 wurde grundsätzlich zwei verschiedenfarbige Schuhe an. Die Entscheidung Kunst zum Beruf zu machen fiel natürlich viel später - wenn auch möglicherweise beeinflusst, durch die Erlebnisse mit der Wirkung "anderer" Kleidung. Auch durch die Beschäftigung mit den Performances meiner Frau Katharina DADA Trost wo der Bezug zur Kleidung längst wesentlicher Bestandteil der Kunst ist, kann ich es heute als eine Art soziales Dauerexperiment ansehen, um die Reaktionen der Menschen zu beobachten und auch wieder Kommunikationspunkte zu bieten. Die Reaktionen in Istanbul oder in Indien sind natürlich anders als auf einer Kunstmesse in Europa. So fragte mich eine Frau in Guatemala ob dies eine besondere Tracht sei und ein türkischer Junge war ganz aus dem Häuschen, dass ich die Farben "seines" Fußballvereins trage. Die eigene Erscheinung bietet einfach ein weiteres künstlerisches Ausdrucksmittel, welches man möglichst ehrlich und unverkrampft einsetzten kann.

Kultur-Kanal: Im Pressetext für die Ausstellung in München werden Sie auch mit dem Begriff "New Pop Art" in Verbindung gebracht. Passt ein Künstler wie Thitz überhaupt in eine Schublade und wie stehen Sie zum Begriff "New Pop Art"?

Thitz: Im Moment erleichtern solche Begriffe einfach, sich schon einmal eine Grundidee von einer Kunst zu machen, wenn man noch nichts gesehen hat. Im besten Fall wird man neugierig. "New Pop Art" schließt ja zumindest einige Kunstformen deutlich aus. In Erinnerung an die Pop-Art wird eine bestimmte Kunstrichtung bezeichnet, die großzügig mit den künstlerischen Mitteln umgeht, oft Figuratives enthält und die erkennbare Darstellung einer Idee oder Geschichte in den Vordergrund stellt. Allerdings sind wir heute in der komfortablen Situation, dass wir diese formalen Mittel (Collage, Siebdruck etc.) nicht mehr wie damals gegen einen Widerstand durchsetzten müssen. Auch andere Künstler wie M.S Bastian, Moritz Götze oder Laurenz Spring haben eine eigene verstehbare moderne Bildsprache entwickelt (etwa durch die Benutzung von Chiffren aus der Comicwelt, Schriften, etc) Dadurch können wir das erste Mal seit dem 19 Jh. wieder frei und nach Herzenslust Geschichten malen. Die Kunstgeschichte lehrt uns aber in eher größeren Zeitdimensionen zu denken. So erscheint es mir eher möglich dass die ganze Kunst unserer Zeit einmal unter einem Begriff definiert wird, welchen es vielleicht noch gar nicht gibt.

Kultur-Kanal: Ihre Bilder wurden auch kürzlich von Frieder Burda angekauft. Stellt sich da nicht die Frage: Habe ich's jetzt geschafft? Was könnte Sie selbst noch überraschen oder welches (Kunst)Ziel wollen Sie noch erreichen?

Thitz: Ich war nie der Typ der im Atelier sitzt und auf irgendetwas wartet. Schon während des Studiums reiste ich bewaffnet mit riesigen Aquarellskizzenbüchern um die Welt. Von daher habe ich immer gewusst, wo ich stehe und woran ich noch arbeiten muss. Das gilt für die Weiterentwicklung der Arbeiten ebenso wie für den Kunstbetrieb. In den letzten Jahren ist es mir gelungen, die Verbreitung von Thitz-Werken auf einige gute Galerien in New York, Schweiz, Deutschland, Österreich und neuerdings auch Athen zu verteilen. Seit 4 Jahren funktioniert das so gut, dass die Bilder vor allem auf Messen chronisch ausverkauft sind. Nun kommen noch einige größere Galerien dazu, sodass ich auch die Preise nicht mehr lange auf dem bisherigen Niveau halten kann. Das gibt mir die Möglichkeit noch mehr Zeit für das einzelne Bild aufzuwenden und so die Qualität weiterzuentwickeln. Dass seit einiger Zeit nun auch so bekannte Museen wie die Sammlung Frieder Burda die Qualität meiner Arbeiten anerkennen und ankaufen, ist natürlich besonders erfreulich. Natürlich gibt es auch hier immer noch Ziele, welche ich erreichen möchte. Angesichts der jüngsten Entwicklungen und Vorgespräche zeichnet sich aber ab, dass die Fortführung des Thitz -Booms nicht mehr aufzuhalten ist.

Kultur-Kanal: Herr Thitz, wir danken Ihnen für das Gespräch!