azonline.ch 12.10.2004

Artikel vom 12.10.2004

MEISTERSCHWANDEN

Die Kunst, die aus der Tüte kommt

Ein Werk mit und über Tüten von Thitz in Meisterschwanden. (Foto: mr)

In der Warteschlange vor der Kasse ärgert man sich: Man hat wieder einmal die Einkaufstasche vergessen. Man freut sich über die gekaufte, originell gestaltete Tragtasche, die zu Hause dann doch in die übervolle Küchenschublade gestopft wird.

Ganz anders macht es der deutsche Künstler Thitz. Die Einkaufstüten, die er als Grundlage für seine Bilder benutzt, haben ihn weltberühmt gemacht. Mit der Tüten-Ausstellung in der Galerie Del Mese-Fischer eröffnet sich für den Besucher eine besonders bunte Welt.

Er sei seit seiner Studienzeit an der Stuttgarter Akademie dafür berühmt, alles in Kunst zu verwandeln, was ihm unter den Pinsel kommt, heisst es in der Biografie des 1962 geborenen Künstlers mit den verschiedenfarbigen Schuhen, wie er sie auch an der Vernissage in der Galerie Del Mese-Fischer trug.

Mitten im Big Apple

Kunst ist bei Thitz mitten aus dem Leben gegriffen. Sie kommt nicht in die Tüte, sondern auf die Tüte selbst, wie in einer seiner Serien, die den Titel «City bags» trägt. Auf dicht bemalten Bildern findet man expressive Stadtlandschaften mit perspektivischen Blicken in die schmalen Häuserschluchten der berühmten Metropolen, die er auf seinen zahlreichen «Tütenreisen» rund um den Globus besucht.

Eine der bekanntesten «Bag Cities» ist New York, wo Thitz gearbeitet hat und an grösseren Ausstellungen beteiligt war. Eindrückliche Spuren aus jener Zeit findet man auch in den Exponaten in der Galerie Del Mese-Fischer. Auf farbenfrohen, witzigen Collagen, bei deren Anblick man mitten im Big Apple zu sein scheint, entdeckt man in einem polyglotten Kunstkosmos unzählige originelle Figuren aller Hautfarben und jeglichen Geschlechts. Aus Fenstern, Türen, Dächern wachsen ihre Köpfe, die Schlaufen der Einkaufstaschen ragen über den Rand des Bildes hinaus.

Kunst bedeutet für Thitz Kommunikation. Auf seine Weise hat er den Anschlag vom 11. September 2001 auf die Twin Towers verarbeitet, hielt er sich zu diesem Zeitpunkt doch in New York auf. Nicht vordergründig und spektakulär, aber doch sichtbar in seinen Collagen verwoben hält der Künstler in einigen Werken Spuren aus der damaligen Betroffenheit fest. Die unbeugsame, unzerstörbare Vitalität sei es gewesen, die ihn damals beeindruckt habe, vernimmt man von ihm. So habe es für ihn ausser Frage gestanden, die zerstörten Türme auf destruktive Weise selber aufs Bild zu bannen, wie dies andere Künstler getan haben, sagte er an der Vernissage.

Als weitere originelle Unterlage für seine Collagen dienen dem Künstler seit kurzem auch alte Wandkarten. Interessante Exponate aus dieser Serie sind ebenfalls in der Galerie Del Mese-Fischer zu sehen. (rue/hst)


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